You can't fake it
Es war einmal… ein Tag vor vielen Jahren, etwa 2011 oder 2012. Ich sass mit meiner Kollegin Andrea vor einer Videokamera. Sie hatte noch kein Kind und ich hatte zu der Zeit noch eine Werkstatt in Zürich. Wir wollten mit Videos experimentieren. Ich legte eine schicke Jacke an, trug meinen Lippenstift auf, setzte mich in Pose… und dann… grosse Erstarrung. Ich sass da wie festgenagelt, traute mich nicht, mich zu bewegen und fühlte mich überhaupt nicht verbunden mit mir. Ich dachte, dass ich wie Tilli von der Palmolive Werbung eine ansprechende Performance abliefern müsste.
Danach habe ich das Video mit Argusaugen zerlegt. Nichts davon fand ich gut. Ich sah nicht so cool aus, wie ich wollte. Die Inhalte schienen mir völlig belanglos. Wer war die Frau da in dem Film? Eigentlich habe ich nicht so recht verstanden, warum das so schwierig war. Denn mit Vorträgen und Konferenzen hatte ich viel Routine und ich habe sie gerne gemacht.
Heute muss ich ein bisschen schmunzeln über die Idee und ihre Umsetzung... Aber damals erschien es mir wie ein Erleuchtungsmoment. Ich war überzeugt, dass ich auf einer Schauspielschule die Antworten auf meine Fragen finden würde. Ich beschloss, das für 3 Monate full-time in Chicago zu machen. Ich liebe Abenteuer und Reisen. Und das Ganze erschien mir eine gute Kombination. Eine Stadt, in der es nicht nur riesige Seen und ziemlich viel Wind gibt, sondern noch mehr Theater und Schauspiel-Schulen.
In Chicago guckten mich meine Schauspiellehrer meist mit grossen Augen an als ich ihnen erklärte, dass ich keine Schauspielerin werden wollte und auch nicht als Sprecherin arbeiten wollte. Denn in den Kursen lernt man, etwas glaubhaft auf die Bühne zu bringen, was jemand anderes geschrieben, gedacht und gefühlt hat. Ich wollte auf die Bühne bringen, was in mir vorging. Ich hatte so viel zu sagen und litt an dem Gefühl, verrückt zu werden, wenn das nicht endlich nach draussen kommt.
Die drei Monate in Chicago waren reich, bunt und herausfordernd. Ich bekam das erste Mal im Leben eine Kehlkopfentzündung. Das lag zum Teil an dem endlos vielen Wind in der Stadt, aber noch viel mehr an meinem Stress damit, mich auszudrücken. Ich lernte ziemlich viele Texte. Und mein Puls und Adrenalinlevel waren oft auf maximum.
Das habe ich in der Zeit gelernt und verstanden:
- Wir können nichts wirklich faken, so tun als ob. Stimme ist ein supergenauer Seismograph und Lügendetektor. Wenn wir nicht glauben, was wir sagen, kann man das ziemlich schnell hören. Wir müssen fühlen, was wir auf die Bühne bringen. Und die Kunst eines Schauspielers besteht darin, diese Gefühle in sich zu aktivieren.
- Es gab jede Menge Stimm-, Sprech-, Körper und Atemübungen, die alle interessant waren. Aber sie konnten mein Dilemma nicht wirklich lösen. Ich begann zu verstehen, dass mein Problem kein Stimm- oder Atemproblem war, es war nicht Lampenfieber und es waren auch nicht die vielen Ähs, die ich beim Sprechen verwendete. Das Problem waren nicht meine Falten, meine Zähne oder meine Speckröllchen. Es spielte auch keine Rolle, ob ich meine Videos vor einer Yacht drehte oder im Hotel Palace. Ich war innerlich nicht klar genug darüber, was ich wirklich zu sagen hatte, und ich hatte Angst, als die die ich bin, mit meiner eigenen Geschichte auf den Punkt zu kommen. Und genau damit sichtbar zu werden. Mein Schauspielabenteuer war ein Versuch, eine verbesserte Version von mir herzustellen. Katharina in 2.0 – die perfekt, charismatisch und überzeugend ist. Ich hatte Angst, so wie ich wirklich bin und mit meinem ganz eigenen Know-How auf die Bühne zu gehen und zu verkörpern, worum es mir geht.
- Nicht nur für ein Theaterstück sondern auch als Sprecherin und Vortragende ist unser Superego auch der Super-Saboteur. Eigentlich können wir uns auf der Bühne alles erlauben, wir können die Hosen verlieren, den Text vergessen oder uns die Haare raufen – solange wir nicht aus den Kontakt gehen. «Look at me» ist das Mantra, das uns durch jede Emotion und Unsicherheit trägt und uns Abstand gibt vom Superego = innerer Kritiker. Das gilt für unsere Videos genauso wie für Vorträge. Wenn das Superego anmarschiert, brechen wir fast immer den Kontakt mit uns und mit den Zuschauern ab. Und das ist das viel grössere Problem als die Frage, ob wir in unserem Vortrag alle Punkte auf unserer Liste abgehandelt haben.
- Ich habe ziemlich viel Feedback bekommen über meine organische Energie. Das was ich ausstrahle, wenn ich bin, wie ich bin. Oft wurde das an der Frage abgehandelt, für welche Rollen man jemand wie mich casten würde und wofür überhaupt nicht. Das war nicht immer einfach zu nehmen aber unglaublich wertvoll. Wenn ich meiner natürlichen Energie treu bin, bin ich in meiner Power. Tilli von Palmolive ist nicht meine Stärke.
- Ich verstand auch, warum ich mit Vorträgen bislang keine Mühe hatte. Ich sprach über Energiefluss, Farben, Wohnbedürfnisse, über Planung, über Feng-Shui und über Gestaltungspläne. (Ich hatte lange eine Bau- und Beratungsfirma.) Das war viel «abgesichertes» Know-How über das auch schon andere gesprochen hatten. Natürlich waren da meine eigenen Erfahrungen drin. Aber es ging nicht um mein Innenleben und meine ganz eigenen Forschungen und meine eigenen Wege, Niederlagen und Erkenntnisse. Ich wollte nicht mehr über Methoden und Techniken sprechen, ich wollte als ich sichtbar werden.
- Schauspiel- und Performancetechniken sind wunderbar, wenn die Inhalte klar sind. Aber es gibt einen Schritt zuvor, den wir lernen und verstehen müssen. Und für den wir Buddies brauchen zum Üben und für Feedback. Wir müssen unser Know-How systematisch weitergeben können. Wir müssen verstehen, wer wir sind, was wir zu sagen haben und keine Angst haben, dieses Know-How zu verkörpern.
- Die Schauspielzeit hat mir auch ein ziemliches Aha verpasst in meiner langjährigen Arbeit mit Inquriy. Inquriy ist eine Art gesprochener Kontemplation und eine spirituelle Praxis, der ich seit langer Zeit folge. Ich begann das Know- How der Schauspielschule umzukehren und mit Inquiry zu verbinden. Dort haben wir geübt, durch Bewegung, Atmung und Visualisierung in Emotionen zu kommen und sie zu spielen, in denen wir eigentlich im Moment gar nicht drin waren. Ich fing an, in verschiedene Facetten meines Lebens und Business zu gehen, und aus dieser Position so lange zu sprechen, bis der Inhalt meiner Monologe in Einklang kam mit dem, wer ich wirklich bin und mit dem, was sich entfalten will. Wenn ich in meine Wahrheit komme, kommt mein Atem, mein Körper und mein Energiesystem in eine organische Power und in tiefere Freude.
- Und ganz anders als ich das dachte, hat die Zeit in Chicago sehr spannende Weichen für mich gestellt. Das Thema, den eigenen Ausdruck zu finden und zu verstehen, was wir der Welt zu sagen haben, ist ganz ins Zentrum meiner Arbeit gerutscht.
- Ich habe eigene Methoden entwickelt, klar damit zu werden, was wir zu sagen haben. Tiefer in unsere organische Power einzutauchen und mit unserem eigenen Know-How mutigere Leader zu werden. Die Verletzlichkeit aushalten können und in der eigenen Anbindung bleiben können - und genau damit sichtbar zu werden.
Es kam so ganz anders als ich dachte, aber die Reise hat sich absolut gelohnt...Ich weiss, wass ich zu sagen habe. Ich habe die Angst verloren vor dem Kontakt. Und ich habe meine Freude gefunden, auf meiner ganz eigenen Bühne zu erscheinen.